Eröffnung: Freitag, 10.05.2013 / 19 Uhr
Ausstellung: 11.05. – 02.06. / Do – So 15 – 19 Uhr
Wenn ich mit jemandem spreche, habe ich am Liebsten ein Bild dabei. Damit man irgendwo hineinsprechen kann. Und wenn man nichts mehr sagt, weil Zeit vergehen soll, bis ein Gedanke bereit ist, schaut man ebenfalls in das Bild, denn dort ist man zunächst geborgen und muss nicht in den Himmel oder auf die Füße schauen und wie sich der Boden darunter verliert. Man muss auch nicht immer den Anderen betrachten – oft unverwandt – denn das lenkt ab, vom Gedanken.
Diesmal trafen wir uns vor dem Tunnel, ein noch unfertiger Tunnel, aber glücklicherweise schon dunkel genug. Vor einem sich in Arbeit befindenden Tunnel zu sprechen, hat etwas Beunruhigendes. Mit einer gewissen Erwartung hat es etwas zu tun. Kommt etwas auf uns zu oder sollte man hineingehen und nachschauen?
„Die Bilder der Malerin Tanja Nittka sind eine Art längere Unterführung. Für ungewisse Zeit sucht sich das Licht einen anderen Platz – im besten Fall steigt sogar Nebel auf. So wie in Mosty u Jablunkova (Mosty heißt Brücken und Jablunkova kann man mit Apfelbäumchen übersetzen), ein Dorf im äußersten Osten Tschechiens.
Unsere Konversation jedenfalls hallt wider und vielleicht war das Gespräch genau dann besonders gut, wenn man sich zwar des Gegenstandes erinnert, es aber unmöglich wiedergeben kann. Entscheidend ist der Ton, der uns anschließend begleitet.
Wieder unterwegs, denke ich gern an das Ohr aus Alabaster von Markus Draese (Zeichner, Bildhauer, Maler), wie es da liegt und hört, was vielleicht gar nicht gesagt, geschweige denn gedacht wurde. Diese Ohr wurde 2004 begonnen und jetzt, neun Jahre später, ist es möglicherweise in einem sicheren Zustand. Sicher ist auch, dass es völlig ungewiss ist, wohin die Informationen von diesem Ohr aus geleitet werden oder ob sie einfach in einer weißen See verschwinden.
Und um das ständige Verschwinden und Vergehen machen wir uns ja zumeist die größten Sorgen. Während der Maler Draese Monate, manchmal Jahre in einem Bild (auf einer Leinwand) verbleibt und Bild über Bild über Bild schichtet, um vielleicht dem Verschwinden des Bildes so nahe wie möglich zu sein, zeichnet der Zeichner seit seiner Jugend erst in Bücher, dann auf Blätter und seit Mitte der 90er Jahre auf Karteikarten im Brieftaschenformat.
Er zeichnet, was und wer unaufhaltsam an ihm vorübergeht, ihn zuweilen streift. Seine Hand und sein weicher Bleistift scheinen der Geschwindigkeit des Geschehens hinterhereilen zu wollen, sie zu erreichen, wenn nicht sogar zu überholen. Manchmal denke ich, er setzt erst seine Signatur über das ganze Blatt, um sie dann, in wenigen schnellen Schritten, zu überzeichnen, bis das Bild da ist. Die hinterlassenen Spuren oszillieren zwischen Klarheit und Unkenntlichem.
Wir sehen Arbeiten zweier Künstler, die sich eine unbezahlbare Reise leisten.“
Miroslav Schelm
Tanja Nittka, *1970 in Essen, Hogeschool voor de Kunsten Utrecht, lebt und arbeitet in Berlin
Markus Draese, *1965 in Essen, Kunstakademie Düsseldorf, lebt und arbeitet in Berlin